Winterzeit, Hochzeitszeit - zumindest in Delhi. Und wenn dann auch noch Vishnu, der Alldurchdringende, der Erschaffer und Zerstörer alles Seienden, nach vier Monaten aufgewacht ist um Tulsi zu heiraten, gibt es kein Halten mehr: Am letzten Sonntag haben sich 17.000 Paare in Delhi das Ja-Wort gegeben, oder wie man hier sagt: den Knoten geknüpft. Alle natürlich im engsten Kreis von wenigen hundert Gästen - pro Hochzeit. Da kommt man schnell auf mehrere Millionen Hochzeitsgäste, zumindest in der Theorie. In der Praxis ist "Wedding hopping" angesagt, mit mehreren zu besuchenden Hochzeiten an einem Abend. Was wiederum zu einem anderem Problem führt: gigantischen Verkehrsstaus über den ganzen Abend.
Die Wedding Season geht übrigens noch bis in den Februar. Wahrscheinlich ist es nur ein Zufall, daß in Deutschland jetzt die närrische Zeit beginnt...
Indien - voller Überraschungen: So bin ich heute bei der Zeitungslektüre über den Begriff "respirable suspended particulate" ("Feinstaubpartikel") gestolpert.
Unter der Überschrift " Ein grüneres Diwali" verkündeten die städtischen Behörden voller Stolz, daß die Feinstaubkonzentration in Folge des Diwali-Feuerwerks im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte gesunken ist und gestern "nur" noch 323 Mikrogramm betrug, statt 670 Mikrogramm im Jahr 2007.
Zum Vergleich: Ab einer Konzentration von 50 Mikrogramm können deutsche Städte ein Fahrverbot verhängen.
Diwali, das Fest des Lichts steht vor der Tür. Es entspricht unserem Weihnachtsfest. Ein Fest der Einkehr, des stillen Gedenkens also? Von wegen, eher eine Gelegenheit für hemmungslosen Konsum, genau wie bei uns: Das Fernsehprogramm entspricht ebenfalls unserem Feiertags- programm: Mission Impossible 3, Rambo, Jurassic Park, Die Hard, Kill Bill 1+2.
Diwali, wörtlich "Lichterreihe", geht auf uralte Mythen zurück. In einer Version kehrte Lord Rama nach 14-jährigem Exil im Wald in seine Stadt Ayodhya zurück. Da er in einer dunklen Neumondnacht zurückkehrte, beleuchteten seine Untertanen den Heimweg mit einer Reihe ("Avali") von Öllampen ("Deepa"). Irgendwann wurde aus Deepa und Avali ... Diwali.
Von vierfarbig blinkenden elektrischen Lichterketten findet sich jedoch keine Spur in den alten Schriften:
Der Winter ist da, man könnte abends bei lauschigen 23 Grad auf dem Balkon sitzen und entspannt den Feierabend genießen - wenn es da nicht ein kleines Problem gäbe: ein sehr kleines, aber in großen Mengen auftretendes Problem. Winzig kleine Fliegen (oder sind es Mücken?) fliegen in großen Schwärmen auf das Licht zu. Während die Vorfahren der Fliegen sich noch am Mondlicht orientiert haben, haben die heutigen Stadt-Fliegen sich auf hellerleuchtete Wohnzimmerfenster und Balkone eingestellt. Allerdings gibt es einen fühlbaren Unterschied zwischen Mondlicht und Wohnzimmerbeleuchtung: die Fensterscheibe. Offensichtlich hat die Evolution noch keine Zeit für eine Knautschzone der Fliegen gehabt. Zielstrebig fliegen sie auf das Licht zu, stoßen gegen die Fensterscheibe, und sterben (wie die Fliegen...). Und so sieht es nach zwei Tagen auf meinem Balkon aus:
Aber Rettung ist in Sicht: Diwali wird in ein paar Tagen mit einem großen Feuerwerk gefeiert. Die zu erwartenden Schadstoffwerte hat noch kein Fliegenschwarm überlebt...
Unterschiede zwischen Indien und Deutschland versteht man am Besten, wenn man die Bedeutung von Adjektiven vergleicht. Während für einen Deutschen "schlicht" so viel wie "einfach" oder "schnörkellos" bedeutet, ist dieses Teelicht aus Sicht der meisten Inder auch einfach nur schlicht:
Demnächst in dieser Reihe: "gerade" und "dicht".
Wer auf der nächsten Bollywood-Party mal im Mittelpunkt stehen möchte (und keine Angst hat sich lächerlich zu machen), für den gibt es hier die ersten Grundbewegungen. Schritte sind am Anfang unwichtig, viel wichtiger sind die Handbewegungen: - "Fensterputz": mit beiden Händen so tun als ob man eine Fensterscheibe abwischt
- "Lassoschwing": eine Hand in die Hüfte stemmen, mit der Anderen ein imaginäres Lasso schwingen
- "Schulterzuck": beide Arme zu den Seiten ausstrecken und mit den Schultern zucken
Eine einfache Choreographie könnte zum Beispiel so aussehen: Fensterputz - Fensterputz - Lassoschwing - Fensterputz - Schulterzuck
Die Version für Fortgeschrittene sieht so aus:
"Bei der Ausführung von Schweißarbeiten mit einem Lichtbogenschweißgerät ist auf eine ordentliche Ausführung der Elektrik gemäß den Sicherheitsbestimmungen zu achten. So ist insbesondere auf die Verwendung eines geprüften Sicherheitssteckers zu achten: schadhafte Kabel müssen fachgerecht repariert werden: Der Transformator muß vollständig isoliert und die Berührung von stromführenden Teilen ausgeschlossen sein: Der die Schweißarbeiten Durchführende trägt Sicherheitsschuhe... ...und einen geprüften Gesichtsschutz:"
Während Tausende von Bankern sich an ein Leben ohne Penthouse und Porsche gewöhnen müssen, habe ich mich entschlossen einen weiteren Arbeitsplatz zu schaffen. Seit zwei Wochen beschäftige ich neben Fahrer, Maid und Autowäscher jetzt auch einen Bügler. Einmal in der Woche klingelt jetzt der "Presswallah" bei mir, nimmt einen Stapel ungebügelter Hemden mit und nach ein bis zwei Tagen bekomme ich Alles wunderbar gebügelt wieder zurück.
Ein Hemd kostet vier Rupien, ungefähr sechs Eurocent - für ein Penthouse muß man da lange bügeln.
Nachdem die Tagestemperaturen in den letzten Monaten ständig oberhalb von 35 Grad lagen, hat sich die Situation in den letzten Tagen dramatisch verändert: Über Nacht sind die Tagestemperaturen auf arktische 25 Grad gefallen.
Sachspenden in Form von Decken und Ohrwärmern bitte kurzfristig nach Gurgaon schicken.
Hindus verbrennen ihre Toten traditionell innerhalb eines Tages. Im modernen Indien, in dem die Angehörigen häufig weit entfernt von ihrer Heimat arbeiten, ist die Anreise aber häufig zu lang um rechtzeitig zurückzureisen.
Zum Glück hat die moderne Welt auch eine Lösung für dieses Problem: Das Krematorium in Noida, einer benachbarten Satellitenstadt von Delhi, bietet jetzt eine Direktübertragung der Zeremonie über das Internet an. So können die Angehörigen auf der anderen Seite der Welt aus ihren Büros in Dubai, Manhattan oder Silicon Valley zumindest virtuell an den letzten Riten teilhaben.
Wer auch das nicht schafft, kann sich eine DVD mit der Aufzeichnung zuschicken lassen.
Neulich traf ich morgens im Aufzug auf ein kleines Mädchen mit ihrer Mutter. Mit großen Augen schaute sie mich an, nahm all ihren Mut zusammen, und grüßte mich mit "Good Morning". Als ich mit "Namaste, aap kesee hai? (Hallo, wie geht es Dir?)" antwortete, wurden die Augen noch größer. Erst als ihre Mutter sie ermunterte zu antworten, kam ein schüchternes "Main theek hoon. (Mir geht es gut)".
Offensichtlich sind indische Frauen schon mit wenigen Worten Hindi zu beeindrucken - zumindest solange sie im Vorschulalter sind...
Bi-wer? So müssen wohl die Gedanken der westlichen Nachrichtenredakteure gewesen sein, als sie sich dafür entschieden, über den Tropensturm Gustav im Süden der USA schon vor einer möglichen Katastrophe zu berichten, aber über die tatsächliche Flutkatastrophe in Bihar kein Wort zu verlieren: Über drei Millionen Menschen sind in Bihar im Moment auf der Flucht, nachdem ein Damm des Kosi Flusses, ein Nebenfluß des Ganges, gebrochen ist und große Teile des Landes überflutet hat.
Bihar ist der ärmste Bundesstaat Indiens, und mit 82 Millionen Einwohnern ungefähr genau so groß wie Deutschland. Allerdings drängeln sich diese Menschen auf einer Fläche, die nur unwesentlich größer ist als die kombinierte Fläche von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Wirtschaftskraft von Bihar entspricht aber nicht einmal der Halben des Saarlandes - und das dürfte auch das fehlende Interesse der Medien erklären.
Hier geht es zum Videobericht der Mutter aller Nachrichten, der BBC.
Wo kann man in Delhi eigentlich Nachschlüssel anfertigen lassen? Zum Beispiel hier: Der Schlosser teilt sich seine "Werkstatt" mit einem Blumenhändler-cum-Metzgerladen - einem Blutzger!
Angst vor einem Besuch in Indien, Angst sich zu verlaufen? Alles kein Problem mehr, Dank der Hilfe eines Herstellers für nicht ortsgebundene Telefone, besser bekannt als "Handies":
Donnerstag hat es mal wieder geregnet, nicht gerade in Dortmunder Mengen, aber doch deutlich mehr als die Kanalisation verträgt. Normalerweise brauche ich 20-30 Minuten für den Heimweg, am Donnerstag sah es nach einer Stunde im Auto so aus: Und nach zwei Stunden so: Aber warum beklage ich mich, immerhin konnte ich im trockenen Auto sitzen:
Mein Weg zur Arbeit, der enn-ejtsch-ejt NH8. 25km Autobahn verbinden seit Januar zur Freude Aller Gurgaon mit Delhi. Wirklich aller Menschen? Zumindest 200 Menschen und ihre Angehörigen werden sich nicht wirklich darüber freuen: So viele Menschen kamen in den ersten sechs Monaten hier ums Leben. Jeden Tag ein Toter. Zu den Unfallursachen gehören liegengebliebene LKWs (ein Achsbruch ist nicht ungewöhnlich für die völlig überladenen LKW), Unkenntnis von Begriffen wie "Mindestabstand" oder "Fahrspur":
Fußgänger:
und natürlich Kühe - allerdings nur wenn ich keine Kamera dabei habe.
Die Sprache, der Schlüssel zum Herzen der Völker. Zumindest spiegelt die Sprache wider, was den Menschen wichtig ist, zum Beispiel die Familie: so gibt es für indische Großeltern gleich vier Wörter: Mama-Oma, Mama-Opa, Papa-Oma und Papa-Opa: Nanee, Nana, Dadee und Dada. Übrigens wollen indische Kinder lieber zu Nannee und Nana als zu Dadee und Dada.
Wörter für Zeit hingegen spielen eine eher untergeordnete Rolle: "gestern": kal "morgen": kal
Was so manches interkulturelles Mißverständnis erklärt: "Ich habe das gestern gemacht" heißt so viel wie: "Habe ich noch nicht gemacht, vielleicht morgen"
...liegen zwischen diesen Bildern:
Indien - nichts für empfindsame Gemüter.
Welches deutsche Wort werden wohl 1.100.000.000 Inder zuerst lernen?
Na?
Ist wirklich nicht schwer.
Immer noch keine Idee?
Eigentlich doch keine Überraschung, oder?
Seit einigen Tagen ist es auf meinem Weg nach Hause deutlich bunter geworden: Ein stetiger Strom von Pilgern ist auf dem Rückweg vom Ganges, beladen mit dezent geschmückten Tragegestellen für Gangeswasser. Hindus glauben nicht an den Erlöser, sondern an die reinigende Kraft des heiligen Flusses, westliche Mägen sollten sich aber nicht daran versuchen (oder zumindest vorher die nicht verbrannten Leichenteile entfernen...).
Für den Pilgerstrom wurde extra ein "Bürgersteig" abgetrennt, das englische Wort "sidewalk" ist allerdings treffender. Im Abstand von mehreren Kilometer sind Verpflegungs und Rastzelte aufgebaut, immerhin sind die Leute mehrere hundert Kilometer unterwegs, alles zu Fuß in schlechteren Badeschlappen: Oberammergau kann da nicht mithalten!
Montag abend kam Roopa pünktlich wie immer eine halbe Stunde zu spät. Allerdings wollte sie nicht in die Wohnung kommen und wiederholte immer nur "Driver - no!" Erst mit Hilfe eines Nachbarn verstand ich, daß mein Fahrer sie offensichtlich aufgefordert hatte, nicht mehr zu mir zu kommen. Ich habe Roopa dann gesagt, daß sie sehr wohl weiter bei mir putzen soll. Am nächsten Morgen hat Dixit mir dann den fehlenden Rest der Geschichte erzählt: Offensichtlich wurde Roopa zusammen mit einem der Wächter unserer Wohnanlage in "unzüchtiger Haltung" erwischt. Dixit wollte mich dann wohl vor diesem unmoralischen Verhalten schützen:
Skandal im Putzbezirk, Skandal um Roopa!
Was macht man eigentlich als Expat mit seiner Freizeit? Bisher hat sich mir diese Frage noch nicht wirklich gestellt, es gab einfach zu viel zu entdecken und zu organisieren. Einige Kollegen sind aber der Meinung, man sollte doch endlich mal Golf spielen lernen. So sind wir am Freitag morgen um sechs aufgebrochen, um Tiger Woods das Fürchten zu lehren.
Rückblickend kann ich sagen, daß Tiger sich keine Sorgen machen muß. Den Ball zu treffen ist das Eine, ihn weit zu schlagen das Andere. Von der richtigen Richtung haben wir noch gar nicht gesprochen.
Wer hätte das gedacht, unter den Wochenendtipps für Delhi fand ich diesen Artikel:
Für alle Düsseldorfer die noch nichts am nächsten Wochenende vorhaben: Delhi is not far!
Nachdem wir im April 10 Studenten von einer Universität in der Nähe von Agra eingestellt haben, ist jetzt ein Dankschreiben des Direktors bei uns eingetroffen. Der Brief ist einem, nun ja, ungewöhnlichen Stil geschrieben, den ich Euch nicht vorenthalten möchte:
"It is by the benefit of letter that friends are, in a manner, brought together and my heart is so full with the force of gratitude towards you that even a drop overfills it. Hands cling to hands & eyes linger on eyes and thus begins the record of my heart. Though the heart has no language to speak, it cannot rest without expressing the gratitude - thank you & and thanks for all you have done for our students by giving them a phenomenal oportunity to experience and be a part of a brilliant legacy of your estemed company. Not the one who has much is rich, but the one who gives much is rich indeed and by selecting our students your generosity has epitomized the richness in you. We are once again thankful to you for providing our students an opportunity to work and intract with the caliber of industry professionals which your organization is replete with."
Nachdem die grundlegenden Dinge wie der regelmäßige Gehaltseingang geregelt sind, kann ich mich neuen Herausforderungen widmen: Neelam kommt jetzt zweimal in der Woche, um mich in der gängigen Mischform von Hindi und Urdu zu unterrichten. Wer sich jetzt eine zarte junge Inderin vorstellt, den muß ich enttäuschen: Neelam hat "mehr als 30 Erfahrung als Hindi Lehrerin", dafür fehlt ihr aber ein Schneidezahn. So kann ich mich wenigstens auf die Aussprache konzentrieren. यह महंगा हैै Yah mahanga hai sollten sich übrigens insbesondere Indien-Touristen merken: "Das ist zu teuer" ist in Indien sehr nützlich!
Hauptsache ohne Eis! Unter strengster Aufsicht der örtlichen Kühe wird hier gerade Eis zerkleinert - hoffentlich nicht für die Cocktailbar im Hintergrund...
Was bei einem kurzen Besuch in Deutschland nach ein paar Monaten Indien besonders auffällt, ist: Genau: eine unglaubliche Stille. Autos scheinen geräuschlos dahinzuschweben, selbst Busse scheinen von leise summenden Elektromotoren angetrieben zu sein - und niemand hupt! Wer nicht versteht, was ich meine, kann sich ja mal hier oder hier ein Beispiel anhören. Aber zum Glück gibt es ja die EM - und Autokorsos: Daß das gemeinsame Fahren in einer Autoschlange und lautes Hupen ein Ausdruck der Freude sein sollen, kann ich meinen indischen Kollegen aber wahrscheinlich nicht vermitteln. Schließlich ist das hier der Alltag.
Zwei Piloten der Air India gönnten sich ein kleines Nickerchen auf dem Flug nach Mumbai - der Autopilot führte die Maschine nach Goa. Überrascht? Entsetzt? Warum, schließlich sind Piloten auch nur (Air-) Busfahrer.... Hier nachlesen.
Seit Anfang Mai brauche ich nicht mehr selber putzen: Roopa kommt dreimal in der Woche und sorgt dafür, daß die Wanderdünen auf meinen Balkons sich nicht auch noch in der Wohnung verbreiten: Die Wüsten Rajastans sind nicht weit; Wüstenstaub und Fenster, die nicht dicht schließen, sind keine gute Kombination für deutsche Hausfrauen! Roopa spricht fließend "Cleaning, Sir?", und vergißt schon mal, an welchen Tagen sie eigentlich kommen soll (Montag, Mittwoch, Freitag). Deshalb habe ich mir angewöhnt, sie jedesmal an den nächsten Termin zu erinnern (Somvaar, Budvaar, Shukravaar) - Dank Sprachführer kein Problem. Voller Stolz über meine neuen Sprachkenntnisse habe ich diese mit meinen indischen Kollegen ausprobiert - und mußte feststellen, daß Wochentage offensichtlich keine Bedeutung haben: Wie kleine Schuljungen zählen sie die Tage an den Händen ab, bevor sie feststellen, daß Shukravaar Freitag ist... Vorsicht bei Flügen mit Air India :-)
Indien schickt Satelliten in den Weltraum, entwickelt Software für Microsoft und Oracle und hat sein eigenes Formel 1 Team. Gleichzeitig kämpft Indien aber immer noch mit dem jahrtausende alten Kastensystem. Hochzeiten über Kastengrenzen hinweg sind immer noch die Ausnahme, der Anteil von "niederen" Kasten (oder "Communities") an wichtigen Positionen in Wirtschaft und Regierung ist immer noch deutlich geringer als ihr Bevölkerungsanteil. Um die Chancen dieser Communities zu verbessern, gibt es schon seit mehreren Jahrzehnten eine Quotenregelung für Regierungspositionen und Zugang zu den Universitäten ("Reservations"). Communities, die zu den Scheduled Tribes (ST) oder Other Backward Communities (OBC) gehören, kommen auch ohne besondere Qualifikation an gehobene Regierungspositionen oder Studienplätze. Entsprechend begehrt ist die Klassifizierung als ST oder OBC, inzwischen gehören mehr als 24% der indischen Bevölkerung einer der beiden Klassen an. Im Moment versuchen die Gujjar aus Rajastan sich einen Status als ST zu sichern. Die Gujjar sind traditionell im Milchhandel tätig, einige von ihnen leben noch als Nomaden. Lange Diskussionen mit der Regierung haben bisher keinen Erfolg gehabt, deshalb haben die Gujjar diese Woche einen Bandh ausgerufen: Dabei kommt das öffentliche Leben weitgehend zum Stillstand, Straßen und Eisenbahnen werden blockiert und die meisten Geschäfte schließen vorbeugend. So kamen wir zu einem ungeplanten freien Tag am Donnerstag, wegen der erwarteten Behinderungen haben die meisten Firmen komplett geschlossen. Nicht ganz ohne Grund: Bisher kamen bei den Unruhen in Rajastan 40 Menschen ums Leben, der Polizeiminister musste zurücktreten. Hier geht es zu den Nachrichten: ZeitungsartikelMan stelle sich nur vor, in Deutschland würden die Milchbauern streiken - was für eine abstruse Idee...
PS: Ich bin ab dem 13.6. für zwei Wochen in D, Einladungen werden ab sofort angenommen! :-)
Wofür steht eigentlich das "i" in iPod? Natürlich für Indien! Hier der Beweis, bereits 1920 gab es in Indien einen damals noch pocket phonograph genannten Vorläufer des iPod, das Original steht im National Museum in Delhi:
Gurgaon sucht den Superstar: Eigentlich kein Unterschied zur deutschen Version...
Waffe oder religiöser Schmuck? Sicherlich könnte man am Security Check der amerikanischen Flughäfen interessante Diskussionen führen, warum denn die Nagelfeile "gefährlich", der Krummdolch aber "ungefährlich" sein soll - wenn man Sikh ist. Zumindest in Indien gibt es auffällige Ausnahmeregelungen für diverse religiöse Gruppen: Der Kirpan ist ein kleiner Krummdolch, der natürlich nur religiösen Zwecken dient, aber ob das den netten Herrn am Security Check überzeugt? Übrigens sind Sikhs auch von der Helmpflicht (doch, so was gibt es hier auch!) befreit, wie sollen sie denn auch den Helm über den Turban bekommen?
Gestern mussten wir mal wieder einer Herde Rinder ausweichen, die ganz gemütlich über die Straßen Gurgaons wanderte. Dixit erzählte mir, daß es sich um Kühe im Ruhestand handelte, die keine Milch mehr geben und deshalb von ihren Besitzern einfach laufengelassen werden. Offensichtlich kommen viele dieser Kühe aus Rajastan, für die Gurgaon so etwas wie ein "Miami für Wiederkäuer" sein muß. Die eigentliche Frage war aber: was passiert mit diesen Kühen, wenn sie irgendwann in den Kuhhimmel gehen? Laut Dixit werden sie beerdigt - ich habe ihn aber nicht gefragt woher denn seine Lederschuhe kommen... Er erzählte mir dann noch von einer Gruppe von Muslims, die im letzten Jahr zwei Kühe schlachteten, und daraufhin von der aufgebrachten Menge erschlagen wurden. Zum Glück habe ich ihm nichts von meinem Mittagessen erzählt: Tenderloin Steak mit Potato Wedges
Heute morgen fiel das Wasser aus: kein Tropfen Wasser kam mehr aus dem Wasserhahn, keine Dusche, kein Zähneputzen möglich: Incredible India? Von wegen, diese Meldung erreichte mich gerade aus - Düsseldorf!
Gestern habe ich mir mein erstes Cricketspiel angesehen, nicht im Fernsehen, sondern live und in 3D. Die Delhi Daredevils spielten gegen die Chennai Superkings im jetzt populären Kurzformat Twenty20: Nur noch vier Stunden, und nicht mehr fünf Tage für ein Spiel. Die Mannschaftsnamen zeigen schon, worum es hier eigentlich geht: Genau wie bei den Namensvettern aus dem amerikanischen Football geht es hier um Business - und es gibt sogar indische Cheerleader! Diese sind allerdings etwas züchtiger angezogen als ihre amerikanischen Kollegen. Frauen aufgepaßt: es gibt auch männliche Cheerleader. Bier wird (leider) nicht im Stadion verkauft, und es gibt natürlich keine Hamburger. Statt Popcorn werden Chili-Erbsen verkauft, 10 Rupien die Portion. Cricket scheint das ideale Spiel für die Hitze Indiens zu sein, meistens stehen die Spieler nur herum und bewegen sich nicht. Im Prinzip ist es eine Art Brennball, einer der Spieler ("Bowler") wirft den Ball, der Andere ("Batsman") versucht ihn mit seinem "Bat" möglichst weit weg zu schlagen und läuft dann zwischen den "Wickets" hin und her bis die "Fielders" den Ball wieder eingefangen haben, dafür gibt es dann "Runs". Sechs Würfe nennen sich "Over", jede Mannschaft hat 20 Over (daher auch der Name), also insgesamt 120 Bälle, die Halbzeiten nennen sich "Innings" Unser Spiel war aber spannender als die meisten anderen Spiele, da bis zum 119. Ball noch vollkommen offen war, wer gewinnen würde. Chennai lag mit einem Run zurück, erzielte mit dem letzten Ball aber vier Runs und hat somit mit drei Wickets gewonnen - alles klar? Hach, was ist der Rasen schön grün :-) Hier klicken für die Bilder.
Da wir immer noch auf der Suche nach Mitarbeitern sind, haben wir uns jetzt direkt an die Quelle begeben: Eine Universität in der Nähe von Agra hatte 500 Studenten zu einem Campus Hiring eingeladen: Die Studenten mussten zunächst einen schriftlichen Test mit technischen Fragen bestehen, die besserere Hälfte durfte nachmittags ihre soft skills in Gruppendiskussionen beweisen und am nächsten Tag die Endauswahl im persönlichen Interview. 35 Studenten sollten am Ende der Aktion die Eintrittskarte zu Reichtum und Wohlstand bekommen - nichts anderes ist ein Arbeitsvertrag mit einem "global player" für indische Studenten. So weit der Plan. Am Morgen des ersten Tages trafen aber zunächst nur 130 Studenten ein, offensichtlich hatten wir einen schlechten Zeitpunkt während der Abschlußklausuren erwischt. Nach ein paar Tassen Chai waren es dann doch 250 Studenten und wir konnten mit dem Test beginnen. Bei der Auswertung dann die Überraschung: einige Kandidaten hatten überragende Resultate erzielt. Ein scharfer Blick auf die Testbögen zeigte Spuren von "Nachbesserungen". Ein kleiner Tip für die Zukunft: verwendet den gleichen Kugelschreiber wie die Kandidaten für solche Aktionen... Bei den Gruppendiskussionen wurde einer Gruppe von jeweils sechs Studenten ein Thema vorgegeben, über das sie dann 20 Minuten diskutieren durften: Soll Indien die olympischen Spiele wegen der Situation in Tibet boykottieren? Wie kann Indien die Korruption bekämpfen? Pro und Kontra von Quotenregelungen für den Zugang zu Universitäten? Für uns war aber nicht der Inhalt der Diskussion von Interesse, sondern das Verhalten der Teilnehmer: Wer geht auf die Argumente der Anderen ein, wer kann abwägen, wer profiliert sich auf Kosten der Anderen oder unterdrückt die Beiträge seiner Kollegen? Nach den Interviews am zweiten Tag blieben dann doch nur zehn Kandidaten übrig, die in drei Wochen ihre ersten Schritte in ihrer Karriere bei uns machen werden. Besonders auffällig: Obwohl nur ca. 10% der 250 Kandidaten Frauen (eigentlich eher Mädchen) waren, schafften es immerhin vier unter die letzten zehn! Offensichtlich sind sie mit größerem Eifer bei der Sache, während sich ihre männlichen Kommilitonen eher mal treiben lassen. Aber hatte Indien nicht schon eine Ministerpräsidentin, lange vor vielen "entwickelten" Ländern?
Papierstau im Fax? Kein Toner im Drucker? Lächerlich! Hier gibt es im Büro noch Aufgaben für echte Kerle, z.B. den Austausch der Zylinderkopfdichtung am Notstromaggregat:
Am Donnerstag haben wir unseren Campus offiziell eingeweiht, immerhin tummeln sich schon mehr als 120 Mitarbeiter bei uns. Dazu gehört in Indien eine Puja Zeremonie, bei der unser Chef eine Kokosnuss zertrümmert hat und der Ganesh am Eingang besonders geschmückt wurde: Im Laufe des Tages lies sich dann noch unser CEO blicken, aber so richtig ging es erst nach Sonnenuntergang los. Als sich die Temperaturen wieder 30 Grad näherten (von oben, tagsüber sind es über 40 Grad) spielte die Band die neuesten Hindi-Hits, dazu tobte die Menge im besten Bollywood Stil. Es ist ganz einfach, einfach nur die Arme in Höhe halten und mit den Händen wedeln, wer es dann noch schafft auf einem Bein zu hüpfen gehört schon zu den Fortgeschrittenen - ich bewerbe mich jetzt bei RTL2.
Dixit, mein Fahrer, erzählte mir neulich stolz von seiner Tochter, die in der achten Klasse das beste Zeugnis im gesamten Bezirk bekommen hat und jetzt sogar ein Stipendium von 1000 Rupien im Monat bekommt. Wer glaubt, daß umgerechnet 16 Euro nicht viel sind, sollte wissen daß ihr Vater lediglich 6000 Rupien im Monat verdient. Neugierig fragte ich Dixit, was denn seine Tochter später mal machen will - in der Hoffnung irgendwas wie "Ärztin", "Lehrerin" oder "Astronautin" zu hören. Die ernüchternde Antwort: "When she 17 or 18, I will wed her".
Jeden Morgen strahlt mein Auto wie frisch gewaschen. Und es wird auch wirklich jeden Morgen gewaschen. Allerdings nicht von Dixit. Obwohl er selber nicht viel verdient und eigentlich den ganzen Tag Zeit dafür hätte, bezahlt er einen Autowäscher, der in der sozialen Hierarchie unter ihm steht.
Indien, Du hast noch einen langen Weg vor Dir...
Hängemattenverkäufer, vier offene Positionen:
Wenige Tage nach meinem Einzug entdeckte ich sie: Wanderkrümmel! Die Brotkrümmel auf dem Teller in der Spüle wollten nicht bis zum Abwasch warten, sondern machten sich selber auf den Weg an der Wand entlang und verschwanden in einem kleinen Loch an der Decke. Den Krümmeln waren sogar Beine gewachsen: Nun bin ich zwar auf der Suche nach einer Haushaltshilfe, allerdings reicht mir eine mit nur mit zwei Beinen, und nicht gleich ein ganzer Ameisenstaat!
Ich habe mich nun für eine "box and awe" Strategie entschieden: Alles Essbare wird entweder in ameisendichten Boxen oder im Kühlschrank verwahrt, strategische Punkte werden regelmäßig mit Ameisenex besprüht.
Ameisen: Wir können Freunde bleiben, aber haltet Euch von meiner Küche fern!
Wenige Wochen nachdem ein Mitarbeiter bei uns angefangen hat, kam er mit einer Schachtel marzipanartiger Vierecke an: "I bought a new car!" Wenig später kam ein weiterer Mitarbeiter mit einer Packung der sehr leckeren Vierecke an: "I bought a new car!" Heute morgen kam der Dritte mit diesen Vierecken, aber diesmal war ich schneller: "You bought a new car?" "Yes, how do you know???" Und hier sind sie, ich bin überzeugt daß sie unter "car sweets" bei jedem Konditor Indiens bestellt werden können:
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